Highlight, Politik

Die Siegerin sass nicht in der Mitte

Etwa 80 Personen besuchten das Podium mit allen Kandidierenden für den Solothurner Regierungsrat. Die Veranstaltung dauerte rund zwei Stunden. Beim anschliessenden Apero wurde weiter diskutiert und politisiert.

Nach einer allgemeinen Vorstellung gab es Diskussionsrunden in verordneten Zweiergruppen. Die Zuteilung sollte gegenteilige Positionen ins Gespräch bringen. Zum Teil gab es echte Streitgespräche, weil die Ansichten nicht deckungsgleich waren (Bildung versus Finanzen). Beim Thema Landwirtschaft / Naturschutz wurde hingegen das Zusammenarbeiten betont. Und bei der Konstellation Baudirektorin – SVP wollte die Diskussion nicht recht gelingen, weil beide Kontrahentinnen betonten, dass zwischen der Direktion und der Baukommission eine gute Zusammenarbeit bestehe.

Wie stark der Abend die Entscheidungen der ZuhörerInnen beeinflusst hat, ist schwer auszumachen. Der ganz Anlass war aber eine wohltuenden Unterscheidung zur Situation in andern grossen Ländern, in denen es nur noch um Polverstärkung geht.

Drei Fragen an alle KandidatInnen

Allen 8 Kandidatinnen und Kandidaten sind die gleichen 3 Fragen gestellt worden. Sie lauteten:

A: Welche Beziehung haben Sie zu Gretzenbach?

B: Was können Sie als gewählter Regierungsrat / gewählte Regierungsrätin für Gretzenbach tun?

C: Welches ist Ihr Tipp, um mehr Menschen für die politische Arbeit zu begeistern, damit es in Zukunft wieder echte Gemeinderatswahlen geben wird?

Drei einfache Fragen, die Antworten waren umso ausführlicher. In ein, zwei Statements ist auch durchgeschimmert, dass PolitikerInnen viel reden. Das ist so, die Antworten zeigen dennoch interessante Aspekte.

Die Reihenfolge der Kandidierenden ist den erhaltenen Stimmen im ersten Wahlgang geschuldet, in absteigender Folge. Daher macht Frau Landammann den Anfang.
Nach der gleichen Überlegung ist auch die Sitzordnung in der Schulhausbibliothek aufgebaut gewesen. Aus diesem Grund sassen die Erstplatzierte Sandra Kolly und der Letztplatzierte Daniel Urech an den Polen aussen.

Sandra Kolly

A: Als Regierungsrätin habe ich öfters mit dem Gemeindepräsident zu tun. Ich habe beim Verkehrskonzept für das Niederamt mit dabei sein dürfen. Und ich habe eine gute Kollegin hier.

B: Es ist vorgesehen, dass wir in der nächsten Legislaturperiode die Verkehrssituation von Olten und im Niederamt vertieft angehen.

C: Ich bin seit Jahren in der Politik tätig. Ich bin Parteipräsidentin gewesen. Das Geheimnis ist gewesen: Die Jungen so schnell wie möglich nachzuziehen und sie, so gut es geht, zu begeistern und einzuladen. Damit bringt man den Jungen und politisch Interessierten das politische System näher und sie verstehen: In der Gemeinde erreicht man am schnellsten etwas. Es ist eine sehr spannende Ebene. Im Kantonsrat und in der Regierung braucht es immer viel Zeit.
Wir haben die Jungen an unsere internen Anlässe und an die Gemeindeanlässe eingeladen. Es gibt Ortsparteien, die die 18-Jährigen anschreiben und zu einer Gemeindeversammlung und danach zu einem Apéro oder Bräteln einladen. Und die haben sehr grossen Erfolg damit.

Susanne Schaffner

A: Ich bin im Nachbardorf aufgewachsen und habe später mit meiner Familie da über 20 Jahre gewohnt. Ich habe ganz viele Kolleginnen und Kollegen hier in Gretzenbach und ich habe mich hier bewegt. Mein Sohn war in der CEVI. Ich habe einen ganz nahen Bezug zu Gretzenbach. Ich kenne in hier fast mehr Leute als in Däniken.

B: Ich bin ja auch für die Polizei zuständig. Ich weiss, dass hier viel im Bereich Drogenhandel und Menschenhandel läuft; wir sagen dem strukturierte Kriminalität. Die Bevölkerung merkt von ihr vielleicht wenig, aber sie ist sehr latent. Wir sind daran, einen Massnahmenplan zu entwickeln, damit wir auch die Ressourcen haben, das illegale Gewerbe, das der regulären Wirtschaft schadet, eindämmen zu können.
Im Sozialen habe ich im Parlament das Gesetz familienergänzende Kinderbetreuung durchgebracht, es wird inzwischen auch als KITA-Gesetz bezeichnet. Es gibt wohl  eine Volksabstimmung. Wenn das Gesetz zum Fliegen kommt, gibt das Gretzenbach die Möglichkeit, auch so etwas aufzuziehen oder wenigstens Betreuungsgutscheine auszurichten, damit Kinder auch auswärts in Kitas gehen können. Und der Kanton bezahlt 40% daran. Die Chance habt ihr dann nicht mehr, wenn das Gesetz abgelehnt wird.

C: Die Frage musste ich kürzlich einer Schülerin beantworten. Es geht über kleine Interessengruppen. Man muss versuchen die Jungen mehr in Vereinen oder für Einzelinteressen zu engagieren, damit sie so merken, im Dorf passiert ganz viel. Und wenn man sich politisch betätigt, kann man auch ganz viel bewirken.
Als ich mit 25 wieder nach Däniken gezogen bin, haben wir gemerkt, dass es Verkehrsberuhigungsmassnahmen braucht. So haben wir begonnen, dafür zu kämpfen. Und so bin ich politisch geworden und bin nachher in den Gemeinderat gekommen, weil ich gemerkt habe, man kann ja etwas machen. Ich denke, man unterschätzt die Jungen. Man muss sie mitnehmen.

Peter Hodel

A: Zu Gretzenbach habe ich viele verschiedene Beziehungen; private, familiäre…. Mein Bruder wohnt mit seiner Familie hier. Er hat vorher in Zürich gewohnt. Durch die Liebe ist er nach Gretzenbach gekommen. Seine Frau ist eine Dänikerin. Ein Schönenwerdner und eine Dänikerin wohnen jetzt in Gretzenbach, in der Mitte. Das Beste in einem Sandwich ist in der Mitte.
Aus meiner Zeit an der Bezirkschule Schönenwerd habe ich natürlich viele Kollegen. Und in meiner Zeit als Gemeindepräsident ist Gretzenbach die Nachbargemeinde gewesen. Mit dem damaligen Gemeindepräsidenten Hanspeter Jeseneg ist aus einer politisch-geschäftlichen Beziehung eine private entstanden. Wir treffen uns heute noch zweimal im Jahr.
Als Schönenwerder bin ich immer etwas neidisch, weil hier noch das Beizlifest stattfindet. Wir hatten auch mal eines. Die Gretzenbacher machen das besser.
Es sind also viele positive Verbindungen.

B: Der Staatshaushalt hat sehr viele Schnittstellen mit den Gemeinden. Am Ende des Jahres 2024 habe ich das Massnahmenpaket geschaffen, zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Regierungsrat. Die Gemeinden haben nicht einfach Freude daran gehabt. Ich bin auch gefragt worden, was ich zu dem Paket sagen würde, wenn ich noch Gemeindepräsident wäre. Ich habe geantwortet: Ich hätte eine andere Haltung. Aber meine Aufgabe als Finanzdirektor liegt jetzt beim Kanton.
Die Massnahmen treffen auch Gretzenbach, das ist nicht zu verhindern. Es gibt aber auch Sachen im Bildungsbereich, wo die Gemeinde gewinnen kann, weil sie finanziert werden.
Die Regierung hat den Auftrag, dass es den Gemeinden gut geht. Die Gemeinden sind wichtig für einen guten Kanton. Gretzenbach ist eine Gemeinde des Niederamtes. Und darum schauen wir auch für Gretzenbach.

C: Man muss dafür arbeiten und das muss in den Schulen beginnen. Sicher in den drei Oberstufenjahrgängen müsste man politische Bildung betreiben. Ich stelle selber in Gesprächen mit Jugendlichen fest, dass sie die Grundzüge unseres politischen Systems nicht kennen. Diese Kenntnis ist sehr wichtig.
Ich bin in einem politischen Haus aufgewachsen. Mein Vater ist lange Gemeinderat gewesen, wir haben immer politisiert. Mich hat die Politik immer fasziniert, bis zum heutigen Tag. Ich nütze jede Gelegenheit mit jungen Menschen, um sie für die Politik und für unser Demokratiesystem zu sensibilisieren. Das ist ein exzellentes System und darum werden wir von vielen benieden.
Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Erwachsene, auch in meinem Alter, sich nicht mehr mit der Politik auseinandersetzen wollen. Da bleibt nichts anderes übrig als im engsten Familienkreis damit anzufangen, die Leute zu motivieren, miteinander eine politische Diskussion zu führen.
Ich habe manchmal den Eindruck, dass uns allen gar nicht bewusst ist, dass wir das Privileg haben, abstimmen und wählen gehen und so direkt Einfluss nehmen zu können. Wir müssen darüber, auch in der aktiven Politik, viel mehr darüber reden,

Sybille Jeker

A: Zu Walter und Susanne Wobmann habe ich eine Beziehung. Und mein Mann kennt die Region relativ gut.

B: Ich glaube, dieser Region geht es ähnlich wie uns im Schwarzbubenland. Wir sind eine Randregion. Manchmal haben wir keinen grossen Bezug zur Stadt Solothurn und fühlen uns auch ein wenig verloren. Wir müssen schauen, dass wir nicht nur die urbanen Gebiete in der Regierung vertreten, sondern auch die ländlichen.

C: Das ist das Problem allgemein in der Politik. Bei uns im Dorf gibt es auch stille Wahlen, weil man die Leute nicht findet. Manchmal wollen sich die Leute einer Wahl auch nicht stellen.
Ich finde es unverständlich, weil ich, mein Mann und meine Familie, wir sind immer aktiv gewesen. Ich glaube, es ist den Leuten nicht mehr wichtig, es geht ihnen zu gut.
Im Dorf habe ich gemerkt, dass sich die Leute nicht mit Parteipolitik auseinandersetzen wollen. Sie gehen lieber auf eine Freie Liste. Überall, wo es die gibt, merkt man, dass es um die Sache geht. Und das ist im Dorf wichtig. Vielleicht muss man das Parteibüchlein und den Machtkampf um die Sitze im Dorf vielleicht etwas weglassen. Wir machen Dorfpolitik.

Matthias Stricker

A: Ich habe einen coolen Bezug zu Gretzenbach. Ich bin im Militär bei den Radfahrern gewesen und musste immer in Schönenwerd einrücken und dann mit dem Velo nach Gretzenbach fahren. In der Zivilschutzanlage haben wir uns ausgerüstet. Danach musste ich immer in den Wald hinauf, warten und Gretzenbach bewachen. In den 90er Jahren ist Gretzenbach super bewacht gewesen. Von hier sind wir dann mit den Velos an unseren Standort gefahren.

B: Ich bin selbst Gemeinderat und bin im Moment auch am Leute suchen. Es wird immer je schwieriger. Ich probiere vermehrt die Jungen anzusprechen. Ich merke, für einzelne Projekte kann man die Jungen gewinnen, aber danach sind sie wieder weg. Mein Tipp ist: Hartnäckig dranbleiben! Man muss Leute auf der Liste haben, die man dann immer wieder fragt. Bei mir ist es auch so gewesen. Der damalige Gemeindepräsident hat mich während etwa 8 Jahren angefragt. Irgendeinmal habe ich gesagt: ‘Jetzt bin ich parat! ’

C: Als Regierungsrat macht man alles für den Kanton – in Zusammenarbeit mit den Gemeinden. Und das wird Gretzenbach auch zugutekommen. Mein grosses Anliegen ist eine gute schulische Infrastruktur. Das kann nicht der Kanton, aber Gretzenbach leisten. Der Kanton muss die Schule im Voraus so ausgestalten, dass man hier eine gute Schule hat. Diese ist schliesslich die Grundlage, dass ein Dorf auch lebt.

Edgar Kupper

A: Ich kenne von meinem Beruf her ein paar Leute hier im Dorf und die Aufenthalte, die ich hier gehabt habe, sind immer gut gewesen.

B: Ich habe festgestellt, dass im Niederamt die Steuererträge relativ tief sind, dass die Gemeinden mit wenig Geld viel machen müssen. Man muss schauen, dass sich diese Dörfer so entwickeln können, dass sie mehr Steuersubstrat generieren durch das Ansiedeln von Firmen. Aber auch die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden muss so sein, dass es den Gemeinden ermöglicht wird, die Aufgaben, die sie erfüllen müssen, erfüllen zu können.

C: Die Arbeit im Gemeinderat und in den Kommissionen ist eine sehr schöne Arbeit. Man kann direkt Einfluss nehmen und man ist sehr nahe bei den Leuten. Und wenn das Team sehr gut zusammenarbeitet, sind das sehr positive Erfahrungen fürs Leben, für die Gemeinschaft und fürs Dorf.

Marco Lupi

A: Als Kantonsratspräsident bin ich in jeder Ecke gewesen, ich bin auch hier gewesen. Meine grösste Verbindung ist natürlich mein Kantonsratskollege Daniel Cartier.

B: Ich mache für Gretzenbach das, was ich für alle andern 105 Gemeinden im Kanton auch mache: Ihre Anliegen ernstnehmen, zuhören und Lösungen finden, die für sie stimmen.

C: Wenn ich die Antwort grundsätzlich wüsste, wäre ich wahrscheinlich ein sehr reicher Mensch. Man muss überzeugen, mobilisieren und die Leute finden!
Man muss mit ihnen an den Tisch sitzen und ihnen sagen: Hey, mach etwas!
Der Einstieg ist vielmals über eine Kommission. Dann kann man sagen: Es gefällt dir ja. Jetzt könntest du doch noch in den Gemeinderat.
Es geht nichts über das Gespräch und den Versuch, die Leute zu überzeugen.
Wenn man das nicht mehr schafft, ist unser System am Ende. Ich bin der Meinung, dass wir ein sehr erfolgreiches System haben, das sich lohnt beizubehalten.

Daniel Urech

A: Ich habe eine sehr kleine Beziehung zu Gretzenbach. Ich sehe jedes Mal vom Zug aus den eindrücklichen Tempel. Und ich schätze allgemein das Niederamt sehr. Aber ich habe das Dorf bisher nicht gross gekannt.

B: Ich bin als Gemeindepräsident jemand, der Gemeinden generell sehr hochschätzt, sie als eine ganz wichtige Staatebene anschaut. Sie sind die wichtigsten Partnerinnen für den Kanton. Tatsache ist, dass es viele gebundene Ausgaben gibt, gerade im Sozialbereich. Mir ist ganz wichtig, dass die Gemeinden da ihre Handlungsfähigkeit nicht verlieren und man sie da auch unterstützt.

C: Grundsätzlich ist es bedauerlich, wenn es stille Wahlen gibt, weil ein wichtiger Teil der Demokratie, nämlich die Auswahl verschiedener Personen, wegfällt. Es führt kein Weg daran vorbei, dass man immer wieder mit jungen Leuten redet und sie versucht für konkrete Projekte in der Gemeinde zu begeistern Wir haben bei uns in Dornach glücklicherweise eine andere Situation. Wir haben für 7 Sitze 24 Kandidierende, etwa ein Drittel ist unter dem Alter von 40 Jahren.
Es hilft, dass man Leute aus den Vereinen für konkrete Projekte direkt anfragt und sie auf diese Weise vielleicht anspricht, dass es interessante Aufgaben auf der Gemeindeebene hat. Man kann hier Sachen bewegen oder darin Einfluss nehmen, die jeden ganz direkt betreffen: Die Gestaltung des öffentlichen Raumes; die Zugänglichkeit des Schulgeländes; bei der Kinderbetreuung ….


Die Ansage machte Gemeinderat Pascal Wüthrich, Moderator des Abends war Marco Jaggi.

Die zweite Wahlrunde findet am 13. April 2025 statt. Werden mehr Wählerinnen und Wähler den Weg an die Urne auf sich nehmen? Beim letzten Durchgang sind rund 2/3 der Stimmberechtigten zu Hause geblieben.

Nachfolgend einige Bildeindrücke des Anlasses

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