Seit ich wegen meinen Knien nur noch wandere, ist der Täfelibaum eine Art Fixpunkt auf meinen Runden. Er ist eine Linde am Ende der Kohlschwärzistrasse – schön gelegen auf der Anhöhe mit freier Sicht über Däniken und den westlichen Teil des Niederamtes; Die Aussicht erweckt ein Gefühl von Weite. Der Weitsicht stehen aber der Jura und die Oltner Hausberge im Weg.
Ich sehe aber auch das Nahe, die Vergangenheit: das Schloss Wartenfels in Lostorf, das Sälischlössli oberhalb von Olten und die Tatsache, dass die Gegend zum letzten Mal vor beinahe 200’000 Jahren mit meterhohen Eismassen überdeckt worden ist. Eine lange Zeit, in der viele Menschen vor uns ihre Spuren hinterlassen haben. Wir machen es nicht anders. Hoffentlich sind es positive Abdrücke und Trampelpfade, die wir den nächsten Generationen aufzwingen. Der Ort bringt mich zum Nachdenken.
Der Täfelibaum ist ein markanter und majestätischer Baum in der fast freien Landschaft. Seine wunderbare Schönheit wird nur beeinträchtigt durch die Starkstromleitungen und die Hecke auf der rechten Strassenseite. Auch das ein Sinnbild: Die Natur ist einmalig und wiedersetzt sich der Technik, wird aber trotzdem durch die menschlichen Eingriffe bedrängt.
Trotzdem lässt sich an diesem Baum die Bedeutung der Bäume in den letzten Jahrhunderten erahnen: Sie waren Wegmarkierungen, Holzlieferanten und Heilmittelproduzenten.
Der Baum hat seinen Namen von den Täfelis, die manchmal aus dem Geäst herunter regnen. Ich habe es schon selbst erlebt, wenn ich mit einer Gruppe da oben gewesen bin, wie Süssigkeiten heruntergefallen sind. Ein Rätsel ist mir aber immer noch, warum es bisher noch nie funktioniert hat, wenn ich allein unter dem Baum gestanden bin.
Die eine Legende besagt, dass eine Familie am Hashubelweg den kleinen Kindern den sonntäglichen Spaziergang damit schmackhaft gemacht hat, dass gerade heute die Aussicht auf einen Zältli spendenden Baum sehr gross seien – und das offenbar mit Erfolg.
Und eine andere Geschichte erzählt, dass eine Kindergärtnerin mit ihren Schützlingen den stotzigen Weg hier herauf gemacht hatte. Und gemeinsam hätten sie dann den Baum angefleht, dass er sie für ihre Mühen doch belohnen möge. Und auch das scheint geklappt zu haben.
Eigentlich müsste der Baum für seinen Erfrischungs-Service belohnt werden, denn er hat wohl schon viele Kilo Aufmunterung spendiert. Etwas Anerkennung hat er mit der persönlichen Tafel auf dem Lehrpfad Landschaft und Mensch schon erhalten.
Auch wenn er je nach Lichtsituation gigantisch oder sogar etwas unheimlich aussieht, er ist ein lieber und er wird auch die kommenden Kinder-Generationen mit seinen Überraschungen beglücken. Und sollte er mal sterben, dann ist klar: Es muss ein neuer Täfeli-Baum gepflanzt werden – dazu ist Gretzenbach verpflichtet.
Die Sicht von hier oben auf das KKG sind die ersten Bilder gewesen, die ich bewusst von Gretzenbach wahrgenommen habe, obwohl ich das Dorf noch gar nicht kannte. Vor rund 40 Jahren hat ein damaliger Studienkollege das Filmen zum Hobby gehabt; 8 mm von, Hand zusammengeschnipselt. Zusammen mit ein paar Freunden hat er sogar den Eroberungszug Alexanders des Grossen verfilmt. 4 oder 5 Statisten haben dabei die griechischen Heerscharen Alexanders gespielt – ohne Computeranimationen. Gewusst wie.
Ein anderes Filmwerk befasste sich mit der Kernkraft. Der Inhalt ist mir nicht mehr bekannt. Aber an die Schlussszene erinnere ich mich noch; sie ist hier oben gedreht worden. Er aufgeregter Reporter kommentierte eine Live-Sendung, weil es Unstimmigkeiten im Kraftwerk gab. Und das explodierte dann tatsächlich in einem Lichtblitz. Der Kameramann hat einfach die Blende aufgedreht, so dass das KKW in der Überbelichtung verschwunden ist. Der Kollege ist jetzt ein hohes Tier in der Zürcher Justiz.
Im Gegensatz zum herzförmigen und grossartigen Wurzelsystem des Täfelibaumes sind die Film-Wurzeln meines Bekannten zu schwach ausgebildet worden, darum kenne ich heute leider keinen berühmten Regisseur persönlich.
Ich werde auch heute dem Baum einen Besuch abstatten. Vielleicht verrät er mir eines seiner vielen Geheimnisse – von seinem Standort aus hat er schon Vieles beobachten können. Und vor allem: Wo versteckt er seine Bonbons in der blätterlosen Zeit? / HS