Dorfleben

Mobilfunkanlagen: Entscheide sind gefallen

Vor nicht allzu langer Zeit tobte heftiger Streit in Gretzenbach. Schuld daran waren die geplanten Mobilfunkanlagen in der Weid und auf dem Ölihof. Nun werden beide Projekte an den vorgesehenen Standorten nicht realisiert.

Das Verfahren

Swisscom (Weid) und Salt (Ölihof) reichten unabhängig voneinander je ein Baugesuch für eine Mobilfunkanlage (MFA) ein. Die Baukommission beurteilte die Eingaben – nach Prüfung des Standortdatenblattes durch das kantonale Amt für Umwelt, welches die Strahlungswerte überprüfte – als korrekt und publizierte sie. Die Einsprachen, die darauf eingegangen sind, wurden wiederum von der Baukommission beurteilt und abgewiesen; mittels Verfügung gab es die Baubewilligung. Dagegen erhoben die Projektgegner beim kantonalen Bau- und Justizdepartement Einsprache. Dieses hiess beide Einsprachen gut und erklärte die Baubewilligung als nicht gültig.

MFA Weid:
Für das Gutheissen dieser Eisprachen waren entscheidend: Das Bauprojekt ist nicht im Amtsblatt publiziert worden, zudem wurden Pläne unvollständig eingereicht.

Oelihof:
Hier war der fehlende Abstand zum Waldrand der Grund für die Ungültigkeitserklärung.

2 Ohrfeigen für Gretzenbach?

Unvollständige Pläne; fehlende Publikation im Amtsblatt; ungenügender Abstand zum Wald. Die Verfügung wirft ein ungünstiges Licht auf die Gemeindeverantwortlichen.

Amtsblatt: Das Verbandsbeschwerderecht sieht vor, dass Bauvorhaben von Bundesaufgaben, dazu gehören MFA, im kantonalen Amtsblatt publiziert werden müssen, da schweizerische Verbände die kantonalen Amtsblätter, nicht jedoch regionale Publikationen konsultieren. Warum ist die MFA Weid nicht im Amtsblatt publiziert worden?

Walter Schärer, Gemeindeammann: Bis zu diesem Zeitpunkt ist keine MFA im Kanton Solothurn im Amtsblatt ausgeschrieben worden; es war keine gängige Praxis. Wir sind die erste Gemeinde gewesen, der das zum Verhängnis geworden ist. Diesen Fehler haben wir bei der MFA Ölihof korrigiert. Dieses Projekt ist im Amtsblatt erschienen.

Unvollständige Pläne, wie ist das möglich? Nach Auskunft auf der Gemeinde handelte es sich dabei um eine Folie, die im Dach der Weid-Garage hätte eingebaut werden sollen, zur Abschirmung der Strahlung an den Arbeitsplätzen in der Garage. Roman Leimgruber, Bauverwalter: Dieser Einbau hätte weder massliche noch optische Änderungen am Gebäude ergeben. Das passiert immer wieder, dass unvollständige oder fehlende Dokumente nachgereicht und zur Überprüfung und Stellungnahme den Beschwerdegegnern und der Bewilligungsstelle zugeführt werden müssen. Sobald die Unterlagen vollständig nachgereicht und bewilligt sind, kann eine Bewilligung erfolgen.
Walter Schärer: Diese Pläne hätten problemlos nachgereicht werden können.

Die Swisscom schreibt auf eine schriftliche Anfrage, dass der ablehnende Entscheid nachvollziehbar sei, erwähnt aber auch, dass der südliche Teil des Dorfes nun etwas länger auf eine optimale Versorgung mit Mobilfunk warten müsse. Erwähnt wird auch, dass ein neuer Standort gesucht werde. Ein neues Baugesuch wird zu gegebener Zeit eingereicht, und vorgängig mit der Gemeinde besprochen. (Auszug aus der schriftlichen Antwort.

Der unterschrittene Waldrandabstand im Ölihof? Roman Leimgruber: Die Antenne wäre tatsächlich innerhalb der Waldabstandslinie zu stehen gekommen. Die Baukommission ging jedoch davon aus, dass die MFA dennoch aufgestellt werden darf, weil das Projekt bis zum Entscheid gegen die Baubewilligung als technische Infrastruktur und nicht als Gebäude behandelt worden ist. Wäre die Anlage jedoch ein wenig nach unten versetzt worden, hätte die Baubewilligung erteilt werden müssen!, so die Einschätzung des Bauverwalters.

Salt antwortete auf eine schriftliche Anfrage, dass der Gemeinde bezüglich des Waldabstandes ein Fehler unterlaufen sei. Es wäre daher eine Ausnahmebewilligung nötig geworden, welche aber vom Departement nicht gewährt worden sei. Der Platz hätte sich aber gut geeignet, so Salt.Auch dieses Unternehmen bemüht sich um einen Alternativstandort und will das Gespräch mit der Gemeinde suchen.

In beiden Fällen ist kein Rekurs gegen die Ungültigkeitserklärung eingereicht worden.

Was sagt die Gemeinde dazu?

Die Verfügungen erwecken den Eindruck, als hätten die Behörden offensichtliche Fehler gemacht. Die Stimmung während des Gespräches ist zum Teil emotional. Man fühlt sich im Stich gelassen und muss trotzdem eine Entscheidung treffen.

Sicherlich fehlt einer Laienbehörde wie der Baukommission das Knowhow in solch komplizierten Projekten. Darum ist früh der Kontakt zum kantonalen Amt für Umwelt gesucht worden. Aus diversen Abklärungen mit kantonalen Amtsstellen ist herausgekommen, dass beide MFA bewilligungsfähig seien; daher wurden beide Bewilligungen ausgesprochen, führt Roman Leimgruber aus.
Walter Schärer ergänzt: Die Problematik ist, dass weder Bund noch Kanton eine klare Gesetzgebung und Bauvorschriften erlassen haben. Die einzelnen Gemeinden müssen dann ihre eigenen Kämpfe bewältigen. Und wir sind dann die Sündenböcke, die entscheiden müssen, aber zum Standort nichts zu sagen haben.

Die Kritik an Bund und Kanton ist happig; keiner wolle sich durchringen klare Verhältnisse zu schaffen, wird gesagt. Mindestens der Kanton könnte eine Entscheidung treffen, so Walter Schärer. Er kritisiert, dass Solothurn das Aufstellen von MFA ausserhalb von Bauzonen nicht erlaubt, wie das im Kanton Aargau der Fall ist.

Löst ein Vertag die Probleme?

Zwischen dem Verband Solothurner Einwohnergemeinden VSEG und den MFA-Betreibern Swisscom, Salt und Sunrise ist ein Vertrag abgeschlossen worden, der im Kanton seit dem 1.1.2023 gilt. Er sieht vor, dass die drei Unternehmen ihren Standortbedarf an MFA anmelden. Die betroffene Gemeinde hat dann die Möglichkeit, innerhalb eines Radius von 200 m, Alternativstandorte zu nennen. Walter Schärer: Das bleibt Kosmetik, solange eine MFA nur innerhalb der Bauzonen errichtet werden darf. Irgendein Anwohner wird sich immer gestört fühlen.
Roman Leimgruber: Wir können eigentlich nur beurteilen, ob sich die Anlage optisch sinnvoll eingliedert, bezüglich technischen Belangen geht das nicht.

Fazit der Gemeinde aus der Geschichte?

Roman Leimgruber: Wenn ein neues Baugesuch kommt, werde ich noch viel schärfer hinschauen. Ich weiss nun, dass eine MFA durch das Bau- und Justizdepartement als eine Baute beurteilt wird. Das Berechnen der Grenzabstände wird aber weiterhin ein Problem bleiben, da eine Antenne in keinem Reglement / Gesetz namentlich geführt wird. Und wir müssen auch weiterhin damit rechnen, dass der Kanton als Schlusssatz unter unsere Auskunftsbegehren schreibt: Diese summarische Auskunft ist ohne Gewähr – im Beschwerdefall kann auch anders entschieden werden!
Walter Schärer: Ich erwarte klare Regeln vom Kanton, alles andere nervt.

Vor rund einem Jahr ist in Gretzenbach eine Arbeitsgruppe gebildet worden, bestehend aus dem Bauverwalter, einem Gemeinderat und Vertretern der IG Weid und IG Ölihof. Die Gruppe versucht, auf Gemeindegebiet geeignete Standorte für MFA zu finden, die den gesetzlichen Bestimmungen und den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen könnten. Denn mit neuen Baugesuchen ist zu rechnen.

Kommentar zu den beiden ablehnenden Entscheiden:

In der Schweiz benutzen mehr als 90% der Bevölkerung das Internet auf dem Handy. Im Jahre 2019 betrieben Swisscom, Salt und Sunrise über 18‘000 Antennenstandorte. Zwischen 5 – 10% der Menschen in diesem Land gelten als elektrosensibel. So weit Zahlen. Die gesetzlichen Regelungen lauten:
Der Bund erlässt Vorgaben zum Schutz vor der elektromagnetischen Strahlung. Auf kantonaler Ebene ist das Aufstellen von MFA unterschiedlich geregelt. Auf der Webseite des Kantons Solothurn (unter dem Stichwort Mobilfunk) steht der folgende Satz: Die Gemeinde muss die Baubewilligung von Gesetzes wegen erteilen, wenn die Mobilfunkanlage die Vorschriften der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) und die baurechtlichen Vorschriften einhält.
Es ist wie häufig: Den Letzten beissen die Hunde. Das lässt sich nur vermeiden, wenn

  • die Gemeinde vorbereitet ist auf neue MFA-Baugesuche. Das scheint sie mit der Arbeitsgruppe zum Finden möglicher Standorte umzusetzen. Blinde Flecken darf es aber keine geben. Aktuell dürfen auf gemeindeeigenem Land keine MFA aufgestellt werden.
  • auf lokaler Ebene das Gespräch frühzeitig mit allen Ansprechgruppen gesucht wird.
  • während eines Baubewilligungsverfahrens immer wieder informiert und damit rechtliches Gehör gewährt wird.
  • das St. Florians-Prinzip (Hier gibt es keine MFA, dort ist es mir egal) ausser Kraft gesetzt wird.

Sonst bleibt ein MFA-Projekt eine nervenaufreibende und kostspielige Angelegenheit, die nur zur Farce werden kann.

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