Erstmals seit der Umbenennung vor 7 Jahren begab sich Fokus Gretzenbach auf eine Reise. Das Ziel war Bern. Ein reichhaltiges Programm führte zu politischen und kulturellen Standorte der Stadt.
Treffpunkt Bahnhof
Das Programm vom 29. April 2023 ist von Marcel Wüthrich zusammengestellt worden. Er empfing die Gruppe in der Halle des Bahnhofes in Bern und führte sie auch an die Programmpunkte. Der Tag war modulartig aufgebaut; man konnte auswählen, was reizvoll erschien.
Marcel Wüthrich ist Ur-Gretzenbacher, Passivmitglied bei FOG und seit 2016 Mitglied des bernischen Stadtrates.
Der Erlacherhof
Zu Fuss schlenderte man gemütlich zum Berner Münster. Ein Zelt war davor aufgebaut, dem Islam gewidmet. Über den Lautsprecher verkündete ein Vertreter des Reform-Islams: Hier in der Schweiz herrscht Religions- und Glaubensfreiheit! Damit war die Gruppe mitten in der Politik gelandet, dem Motto des Tages.
Stadtpräsident Alec von Graffenried erfüllte eine von 5 Repräsentationspflichten an diesem Samstag. Fliessend wechselte er von der Religion zu FOG und führte zum Erlacherhof hinunter, der Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut worden ist. Die spätbarocke Anlage mit prächtigem Garten gilt als bedeutendstes Bauwerk im Besitz der Stadt Bern. Jetzt ist es Amtssitz des Stadtpräsidenten. Am 21. November 1848 traf sich hier der Bundesrat zu seiner allerersten Sitzung.
Die Begrüssung im Gemeinderatssaal erfolgte durch Alec von Graffenried, ein überzeugter Berner. Der Stadtname prangte sogar auf seiner Gürtelschnalle.
Worin besteht der Unterschied zwischen Bern und Gretzenbach?
‘Wir müssen als Stadt, wie die Dörfer auch, sehr viel von oben übernehmen, die Wege zwischen den verschiedenen Ansprechpartnern sind aber kürzer!’, so der Stadtpräsident. Gross scheint die Liebe zwischen Bund und Stadt aber nicht zu sein, obwohl Bern der Sitz des Bundes ist; dem Bund scheint diese Tatsache eher egal zu sein.
Das Haus der Religionen
Nach ausgiebiger Besichtigung des Gartens mit Apero ging es weiter per Bahn zum Europaplatz. Das Mittagessen erfolgte To go. Anlässlich einer kurzen Einführung in das Haus der Religionen war zu vernehmen:
Dies hier ist kein Museum, sondern ein Haus, das von 8 verschiedenen Religionsgemeinschaften gemeinsam benutzt wird. Es ist seit 2014 in Betrieb. Einfach war das Zusammenziehen nicht und auch heute tauchen immer wieder Herausforderungen auf, die im Dialog zumeist erfolgreich beseitigt werden können.
Beispiele dazu: Im Islam ist die Verbindung einer Moschee mit dem Himmel wichtig, daher haben sie Dacherhöhungen. Der Bau eines Minarettes ist aber nicht möglich gewesen. Der Kompromiss war die Mini-Kuppel über der Eingangshalle.
Für die Hindus spielt, neben dem Himmel, auch die Verbindung zur Erde eine wichtige Rolle. Unter ihrem Tempel liegen aber Tiefgaragen. Daher führt nun ein Schacht – durch die Garagen hindurch – bis ins Erdreich.
Die christliche Kirche verfügt über Drehelemente, um den Raum abzudunkeln oder zu erhellen. Die eine Gemeinschaft bevorzugt für die Andacht die Dunkelheit, eine andere den Blick zum Himmel.
Der Besuch im Haus der Religionen war kurz, aber eindrücklich.
Bundeshausrundgang mit Nationalrat
Der Check-In erfolgte wie am Flughafen, dahinter wartete Nationalrat Felix Wettstein (FW) aus Olten. Er kandidiert für die nächsten Ständeratswahlen.
Die Tour begann in der grossartigen Eingangshalle – vor den Toren fand eine tibetische Kundgebung statt. Plötzlich kurze Aufregung, 2 Bundespolizisten rannten zur Tür hinaus, zu sehen war aber nichts. Und Minuten später patrouillierten sie wieder durch das Haus.
Danach wurde der Saal des Ständerates besichtigt. Er wird aktuell von drei Frauen geleitet. Dann weiter am Bundesratszimmer vorbei. Der Bundesrat tagt aber nicht hier, sondern im Nebentrakt. Das Zimmer ist Empfangsraum des Bundesrates für Einzelpersonen.
Von der Wandelhalle aus waren die Berner Alpen (in den Wolken) zu erahnen. Über verschiedene Eingänge gelangt man von hier in den Nationalratsaal. Die Sitzplätze der 200 NationalrätInnen werden nach einem ausgeklügelten System zugeteilt und bleiben während der ganzen Legislatur bestehen – ausser es gibt einen Rücktritt während der Session, dann beginnt das Sesselrücken.
Sitzzuordnung und unterschiedliche Eingänge bewirken, dass ‘man vielen ParlamentarierInnen gar nicht über den Weg läuft!’ so Felix Wettstein.
Obwohl die Raumreservation für die Austauschrunde nach dem Rundgang mehrfach im Haus ausgeschrieben gewesen ist, war das entsprechende Zimmer abgeschlossen. Das Bistro (ausser Betrieb!) bot einen guten Ersatz.
Die erste Frage betraf die Polarisierung der Parteien, wie sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
FW: In den Kommissionen erlebe ich keine Polarisierung. Man ist zwar unterschiedlicher Meinung, aber man arbeitet zusammen. Tagesaufreger erwecken den Eindruck, das Parlament sei zerstritten. Und durch die Medien wird dieser Eindruck auch verstärkt. Leider haben sich auch Qualitätszeitungen boulevardisiert.
Warum dauert die Behandlung von Geschäften so lange?
FW: Das liegt sicher auch am Zweikammer-System. Ich bin aber überzeugt, dass die Schweiz ein gutes System hat. Denn trotz allem Ausdiskutieren und Kompromissfinden ist das Resultat, das am Schluss herauskommt, meistens eine Verbesserung. Das ist faszinierend!
Das Verhältnis der Schweiz zur EU?
FW: Das ist tatsächlich ein gordischer Knoten. Es muss nicht nur in der Schweiz etwas passieren Auch die EU muss sich entwickeln, so dass es der Schweiz leichter fallen wird, der EU anzugehören. Man muss hier auf die Form eines Rahmenabkommens eintreten. Der grossen Brocken wird dabei die Gerichtsbarkeit sein. Stichwort Fremde Richter. Wobei ein Richter immer fremd in der Sache sein muss.
Was wird ein möglicher Wechsel in den Ständerat verändern?
FW (schmunzelt): Ich werde eine Krawatte tragen, weil die Kleidervorschrift des Ständerates diese vorschreibt. Ansonsten werde ich wohl gleichbleiben. Ich bin ein Verfechter des Föderalismus. Der muss sich aber noch entwickeln, damit er im 21. Jahrhundert ankommt. Das heisst: gesamthaft weniger Kantone und die künftigen Kantone sollten Entscheidungsgebiete bilden, die mit den realen Lebenswelten besser übereinstimmen.
Vom Bundeshaus ging es zum Da Bucolo für ein Bier (der Nachmittag hatte Durst gemacht) und das Znacht. Die Pizzeria hat einen weltmeisterlichen Pizzaiolo in der Küche. Der Weltmeistertitel liegt zwar schon ein paar Jahre zurück, die Pizzen sind aber gelobt worden.
Nachher machten sich die einen auf den Heimweg, die andern begaben sich ins Theater.
Theater am Käfigturm
Das TaK ist etwas ganz Spezielles. Kasse / Kiosk liegen im ersten Untergeschoss, die Bühne befindet sich ein Geschoss darunter. Und im Zuschauerraum schränken zwei Stützen die Sicht auf die Bühne ein.
Gespielt wurde das Stück Die Henks Moorgang, ein Comedy-Thriller mit vielen Leichen. Und der Mörder war nicht der Gärtner, sondern ….?
Um 22 Uhr endete der Tag mit der Heimfahrt ab Bern.
Ausklang
Kurz nach Mitternacht formierte sich eine Demonstration ab Hauptbahnhof, die eskalierte (Verletzte und Sachschaden.)
Vielleicht war dies der sechste öffentliche Programmpunkt des Stadtpräsidenten. Begonnen hatte sein Samstag mit einer Weindegustation. Danach folgten die Islam-Ausstellung und der FOG-Empfang. Danach waren ein Wettkochen mit einem Promi an der BEA und am Abend noch ein kultureller Rundgang angesetzt. Das ist aber nicht jeden Samstag so, es gibt auch ruhigere Tage!, meinte Alec von Graffenried.