Am 14. März ist Paul Gugelmann verstorben. Im Mai wäre er 93 Jahre alt geworden. Vor 2 Jahren ist auf dieser Webseite ein Beitrag über ihn erschienen. Zur Erinnerung an diesen Menschen legen wir den Beitrag nochmals auf. Es ist dies die Wertschätzung an einen Menschen,
– dessen Objekte in der ganzen Region anzutreffen sind;
– der bei einem seiner vielen Besuche in der Schule mit unseren Kindern ein Tiramigiu erschaffen hat;
– der den Gastauftritt des Kantons Solothurn am Marché-Concours in Sainelégier im Jahre 2012 mitgestaltet hat;
– der klare Meinungen hatte;
– der einen feinen Humor in seinen poetischen Werken zeigt hat;
– der auf all den Fotos, die ich von ihm kenne, nie gelächelt hat;
– der im geselligen Beisammensein gerne den Schnaps hervorholte;
– der selber kochte, sich aber auch gerne bekochen liess
– für den der Tod zum Leben dazugehörte;
– der ……
Paul Gugelmann hat viel für Gretzenbach getan, er hat eine Würdigung verdient; das könnte sein:
– die Paul – Gugelmann – Strasse oder den Paul – Gugelmann – Platz
– eine seiner Skulpturen auf dem neuen Dorfplatz
– ein Sitzbänkli mit Blick auf eine seiner poetischen Maschinen
– eine seiner Zeichnungen als grossflächige Projektion auf der Stirnseite des Gemeindehauses
– oder ….
Ich bin sicher, die Gemeinde wird sich etwas einfallen lassen.
p.s. Den Text von 2020 publizieren wir in der Originalfassung, die Bilder sind jedoch neu zusammengestellt worden.
Ich bin 91 und immer noch nicht pensioniert
Schuhdesigner, Künstler, Dauerarbeiter und Lebensphilosoph – das ist Paul Gugelmann. Ein Besuch bei ihm aus Anlass seines 91. Geburtstages und des 25-Jahr-Jubiläums seines Museums in Schönenwerd.
Man kennt seinen Namen im Dorf und man ist sich vor Jahren am Pferdemarkt von Saignelegier begegnet, der Telefonanruf bei ihm verläuft trotzdem überraschend kurz. Er nimmt die Anfrage entgegen, sagt zu und nach wenigen Sekunden steht der Termin für einen Besuch fest. Eines wird klar: Paul Gugelmann ist ein Mensch voller Energie, wach und präsent. Und er ist sich Medienkontakte gewohnt.
Das Markenzeichen von Paul Gugelmann sind seine schwarze Kleidung, sein Wuschelkopf und seine offene Art. Der Empfang fällt unkompliziert aus. Es folgt das Beschnuppern im Wohnzimmer. Doch schnell mal geht es ins Atelier. Dieses liegt direkt neben der Küche, eigentlich ein Zimmer mit Blick auf den Garten. Auffällig ist die Ordnung, die herrscht, und es ist nicht überfüllt. Gut, die groben Arbeiten erledigt er nicht mehr selbst. Dennoch verblüfft die Einfachheit im Vergleich zum Witz und dem Glanz, den seine Figuren und Maschinen vermitteln.
Wir vereinbaren, dass er normal arbeitet. Kein Problem. Er holt ein Blech, schneidet aus, hämmert es in Form, erwärmt es. Seine Vorliebe gilt dem Messing, weil es durch die Bearbeitung so schön patiniert und rostfrei ist. Seine Arbeitstechniken sind einfach: Schneiden, treiben, löten. Aber es sind aufwändige Techniken, weil alles von Hand gemacht ist.
Der Materialwert seiner Objekte muss hoch sein, der Verkauf seiner Maschinen war trotzdem nie ein Thema: ‘Ich wollte nie etwas verkaufen, um Geld zu verdienen. Denn dann wären die Händler gekommen und hätten einen viel höheren Preis verlangt. Das wollte ich nicht. Wenn ich aber alles rechnen würde, hätte ich den Lohn einer Putzfrau,’ soweit Paul Gugelmann
Nur Personen oder Institutionen, die ihm etwas bedeuten, können seine Objekte erwerben.
Sein Werken ist für den Fotografen inszeniert. Er verrät, dass das Fernsehen ihn einmal eine Woche lang begleitet und daraus einen 10-minütigen Film gemacht hat. Und seine Meinung über Fotografen ist, dass die manchmal sehr kompliziert seien. Entweder verläuft diese Session anders oder er lässt sich nichts anmerken, auf jeden Fall macht er mit und nimmt die Anweisungen entgegen.
Nach etwa einer Stunde meint er aber bestimmt: ‘So, jetzt ist Schluss!’ Wir gehen zurück ins Wohnzimmer und schnell wird klar. Zum Fachsimpeln gehört ein Getränk dazu, es ist nicht Wein: ‘Wegen des Tannins kann ich keinen Wein trinken, darum schenken mir die Leute immer Schnaps. Mein Schrank ist voll davon. Darf es ein Zwetschgenschnaps sein?’
Überall stehen Objekte seines Schaffens, so auch die Figur Jedermann, die die Vergänglichkeit des Lebens symbolisiert, die für ihn zum Alltag gehört: ‘Es ist gut, dass jeder irgendwann gehen muss. Als einziger übrig zu bleiben, das wäre nicht schön. Der Tod ist kein schlimmer Gedanke für mich.’
All seine Objekte trägt Paul Gugelmann bereits im Kopf mit sich, bevor sie Realität werden. Eine Zeichnung fertig er an, das ist alles – kein Plan, nichts, nur die Vorstellung im Kopf.
Darum ist er auch noch nicht pensioniert, wie er von sich selbst sagt. Täglich ist er in seinem Atelier an seinen Objekten. Früher hat er seinen Beruf gehabt und daneben die Maschinen entworfen, von 5 Uhr morgens bis Mitternacht. ‘Jetzt arbeite ich von 7 Uhr bis 10 Uhr abends. An der Arbeit muss man Freude haben.’ Die hat Paul – inzwischen sind wir beim DU angelangt – offensichtlich immer noch. Die Vorstellung, nicht mehr arbeiten zu können und vielleicht in einem Altersheim vor sich hinzudämmern, ist für ihn eine grauenhafte. Er stellt die Situation pantomimisch dar. Die Geste sieht lustig aus, aber sie ist für Menschen seines Alters oft bittere Realität.
Paul Gugelmann ist sich seiner privilegierten Situation bewusst. Darum beschäftigt ihn, wie andere Menschen mit der Pensionierung umgehen. Er rät mir eindringlich, mich auf diesen Schritt vorzubereiten: ‘Ich kenne viele, die gesagt haben: Ich mache nach der Pensionierung nichts mehr!’, und die auch nichts mehr gemacht haben. Das ist furchtbar. Und es gibt auch jene, die in ihrem Arbeitsalltag auf die Pensionierung warten, das ist schrecklich!’
Vor 25 Jahren ist sein Museum in Schönenwerd eröffnet worden. Zuvor sind all seine Maschinen bei zu ihm Hause in Kisten verpackt herumgestanden. In der alten Kornschütti haben einige von vielen ein Zuhause erhalten, die andern sind immer noch in seinem Haus. Was hält er von seinem Museum? ‘Ich hätte damals nie gedacht, dass das Museum so lange Erfolg haben wird; dass sich so viele Freiwillige für Führungen finden lassen und dass so viele Besucher kommen!’
Paul Gugelmann ist ein scharfer Beobachter und das findet sich in seinen poetischen Maschinen wieder. Sein Blick geht aber darüber hinaus. Hier ein paar Stichworte:
Digitalisierung: ‘Das brauche ich nicht, ich habe nie einen Computer gehabt. Aber für die Weiterentwicklung der heutigen Zeit ist sie absolut nötig.’
Religion: ‘Ich bin reformiert und zahle meine Steuern, damit andere davon profitieren. Aber ich gehe nicht in die Kirche.’
Technisches Verständnis: ‘Als Werbe-Designer habe ich viel von meinem technischen Verständnis profitiert. Ich konnte dann selbst an die Nähmaschine sitzen und die Realisierbarkeit beweisen, wenn es wieder mal geheissen hat: Das geht nicht!’
In der Küche hängt eine Urkunde der Gretzi Chuchi, die ihn als Ehrenmitglied auszeichnet.Er ist häufiger, aber nicht regelmässiger Gast. ’Dann helfe ich mit. Ich kann aber kochen, meine Frau ist verstorben.’
Der Besuch geht zu Ende. 2 Bilder bleiben in Erinnerung:
Paul Gugelmann steht bei der Verabschiedung im Rahmen der Garagentüre. Der Blick ist fixiert, die Arme sind in die Hüften gestemmt, die Füsse fest auf dem Boden.
Und das Loch in der Glasscheibe des Ateliers, entstanden durch ein Metallteil, das bei Schleifen weggeschleudert worden ist.
Beide Bilder zeigen einen Menschen voller Überzeugung, Energie, kritischer Distanz, Selbstbewusstsein und Tatendrang.
Alles Gute zum Geburtstag. / HS
p.s. Paul – Gute Reise.